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Damals - heute - morgen

 

Der Cavazzen-Keller

 

Zu Ostern weichen wir ab von der üblichen Route durch den Cavazzen und besuchen den Ort, an dem künftig gefeiert, Musik gemacht, gegessen und getrunken wird. Mit dem Aufzug fahren wir eine Etage tiefer in den

Cavazzen-Keller
In den Kellergewölben des Großen Cavazzen entsteht ein vielseitiger Veranstaltungsraum mit angeschlossener Cateringküche, so dass hier künftig von der Vernissage bis zum Konzert, vom Vortragsabend bis zur privaten Familienfeier die unterschiedlichsten Bespielungen möglich sind.

Der Keller verkörpert – in freier Umdeutung von Gaston Bachelards Poetik des Raumes (1957) – „das dunkle Wesen des Hauses“. Ganz in diesem Sinne kommen wir auch unter dem Cavazzen mit dunkleren Kapiteln der Hausgeschichte in Berührung.



Reise in die Vor- und Frühgeschichte des Cavazzen
Baugeschichtlich kommt der Abstieg ins Souterrain einer Zeitreise in die früheste Vergangenheit des Gebäudes gleich: Wir betreten den ältesten Teil des Cavazzen. Tatsächlich ist der Keller deutlich älter als der barocke Stadtpalast, der sich uns oberirdisch präsentiert. Dieser wurde in den Jahren 1729/30 über den Kellern zweier benachbarter Gebäude errichtet, die dem Stadtbrand von 1728 zum Opfer gefallen waren.

Im Bereich des Kellers ist die Verschmelzung der beiden Hofstätten bis heute noch in der Grundrissstruktur und durch den doppelten Zugang – von Süden und Osten aus – zu erkennen. Im Zuge der Gebäudesanierung wird nun an den tiefsten Schichten des Hauses gekratzt: Unter dem historischen Steinbelag tauchte neben weniger bedeutenden Kleinfunden, die sich wohl in die Frühe Neuzeit datieren lassen, ein vermutlich mittelalterliches Drainagesystem auf. Mehrere von Süd nach Nord geführte Kanäle sorgten für die Entwässerung des Bodens. Nötig machte dies die Lage des Cavazzen im Randbereich einer Moräne, über deren Rücken Regenwasser in den Keller lief.

Vom Weinlager zum Museumsdepot zum Veranstaltungsraum
Bis zuletzt kam den Räumen die vielleicht nicht vornehmste, aber übliche Aufgabe fast eines jeden Kellers zu: Sie dienten der Lagerung, bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem der von Wein – auf einigen der frühesten bildlichen Darstellungen des Cavazzen sind mit Weinfässern beladene Karren vor dem geöffneten Tor zum Kellerabgang zu sehen. Somit stellt die künftige Nutzung als Veranstaltungsraum mit Barbereich und Cateringküche in gewisser Weise und mehr als nur einer Hinsicht auch hier ein „Zurück zu den Wurzeln“ dar, nachdem das Museum die Flächen schließlich als Magazin für nicht ausgestellte Sammlungsobjekte genutzt hatte.

Das Sammlungsgut hat inzwischen eine Bleibe im neu errichteten externen Museumsdepot gefunden und der Keller zeigt sich bereits in deutlich gewandelter, d. h. in Teilen wieder ursprünglicher Gestalt: Als zweischiffige Pfeilerhalle, fest gegründet über neuen Betonfundamenten und durch einen Fahrstuhl barrierefrei erschlossen.

Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg
Eine Psychoanalyse des Cavazzen sollte sich auch der Zeit des Zweiten Weltkriegs widmen: Nach 1939 wurden die kräftigen Kellergewölbe als Luftschutzräume ausgebaut, in denen nicht nur Menschen bei Fliegeralarm Zuflucht suchten, sondern auch wertvolles Museumsgut in Sicherheit gebracht wurde. An diese Episode erinnern am unteren Treppenabsatz des Kellerzugangs eine schwere Metalltür und die Inschrift „Ruhig halten!“. Beide werden auch künftig zu sehen sein und Besucher des Kellers vielleicht hin und wieder zu einem kurzen Innehalten bewegen. Um es abschließend noch einmal mit Gaston Bachelard zu sagen: „Im Keller“, schreibt der französische Philosoph, „verharren die Dunkelheiten Tag und Nacht. Sogar mit dem Leuchter in der Hand sieht der Mensch im Keller die Schatten über die schwarzen Mauern tanzen.“



1 Grundriss des Kellers im frühen 19. Jh.
Abb: G.l.p.p. 170b, Kulturamt Lindau

2 Baustelle im Keller des Cavazzen
Foto: Kulturamt Lindau

3 Stahltür zum ehemaligen Luftschutzkeller
Abb.: Kulturamt Lindau

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