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J wie Jagdfieber

 

aus unserem SammlungsA-Z

 


Ein Hirsch und eine Hirschkuh galoppieren über eine Lichtung; stolz und anmutig sehen sie aus. Doch Gefahr ist in Verzug. Ein gellender Ton erschallt und plötzlich brechen Hunde aus dem Unterholz hervor, in wilder Jagd den Hirschen hinterher. Am gegenüberliegenden Ende der Lichtung lässt der Jäger das Horn sinken und legt sein Gewehr an. Während das Klappern der Hufe und das Bellen der Hunde näher kommen, wartet er geduldig auf einen sauberen Schuss.
Nicht weit entfernt wiederholt sich ein uralter Zweikampf. Ein wilder Eber schabt mit den Hufen und bereitet sich auf den Ansturm vor. Ihm gegenüber kniet der Jäger in banger Erwartung. In seinen Händen ein langer Spieß, dessen Ende er in den Boden gerammt hat, um der martialischen Wucht standzuhalten, mit der sich das Tier in wenigen Sekunden in das spitze Ende der Lanze werfen wird.

Diese oder ähnliche Bilder mögen dem adligen Besitzer des Gewehrs (WP 15) durch den Kopf gegangen sein, als er es zum ersten Mal in Augenschein nahm und die Szenen betrachtete, die darauf abgebildet sind. Adlig muss der Besitzer gewesen sein, denn eine so kunstvoll gefertigte Waffe, mit Beschlägen aus Messing und filigranen Einsetzungen aus Bein und Perlmutt konnte sich nicht jeder leisten.
Darüber hinaus hätte das Jagdgewehr im 16. und 17. Jahrhundert einem Bürger oder Bauern auch gar nichts genutzt, denn die Jagd, einstmals eine Grundbeschäftigung der Menschheit, war seit dem Mittelalter mehr und mehr ein Privileg des Adels geworden. Das Jagen wurde dadurch von einer Form der Nahrungsbeschaffung zu einem Statussymbol und einem Sport, den der Adel mit spektakulärem Aufwand inszenierte und der in der Realität nur wenig mit der romantischen Fantasie eines ehrenvollen Zweikampfs zwischen Mensch und Bestie zu tun hatte, wie er auf dem Gewehr dargestellt wird.

Eine Inschrift auf dem Gewehr deutet darauf hin, dass das Gewehr wahrscheinlich vom Büchsenmacher Johann Jacob Zilly aus Memmingen um das Jahr 1700 gefertigt wurde. Darin liegt eine gewisse traurige Ironie, denn knapp 200 Jahre früher, während des Bauernkrieges 1525, wurden in Memmingen die Zwölf Artikel der Bauernschaft verabschiedet. Darin forderten die aufständischen Bauern erstmals in der deutschen Geschichte gewisse Grund- und Freiheitsrechte schriftlich ein. Darunter war auch die Forderung, dass nicht nur der Adel, sondern auch die einfachen Leute das Recht zur Jagd haben sollten. Mit der Niederlage der Bauern blieb dieser Wunsch unerfüllt und das Jagdgewehr blieb noch lange ein Symbol der feudalen Ständegesellschaft.

 

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