Kultur Lindau

Museumsblog Lindau

Das Motiv des Hahns in Marc Chagalls Werk

 

Marc Chagall – Paradiesische Gärten

 

  • Tierischer Besuch im Museum (c) Foto: Jan Prigge

Tierischer Besuch im Museum (c) Foto: Jan Prigge

Marc Chagall hat in seinen Werken seine eigene Bildsprache entwickelt. Eine Gruppe dieser wiederkehrenden Elemente sind Tiere des Shtetls, wie die Kuh, der Esel, das Pferd, der Ziegenbock – und der Hahn. Durch ihre Darstellung bringt er ein Stück Erinnerung, ein Stück seiner verlorenen russisch-jüdischen Heimat in sein Werk und erzählt über diese Bildzeichen seine Lebensgeschichte. Die Erinnerung an seine Heimat Witebsk sowie die Sehnsucht nach dem Ort seiner Kindheit spielen für Chagall eine zentrale Rolle in seinem Werk und begleiten ihn sein Leben lang. Er selbst erklärt die Motive wie folgt: „Dass ich Kühe, Milchmädchen, Hähne und russische Provinzarchitektur als Formvorlage benutze, liegt darin begründet, dass diese Dinge Teil jener Umgebung sind, aus der ich stamme und die zweifellos von allen Ergebnissen in meinem visuellen Gedächtnis die tiefsten Eindrücke hinterlassen hat. [1]

Der Hahn kann im Zusammenhang mit anderen Motiven in seiner Bedeutung variieren. So steht er beispielsweise im Zusammenhang mit Liebes- oder Brautpaaren für Glück und Fruchtbarkeit, in Verbindung mit dem Eiffelturm ist er als gallischer Hahn und somit als Symbol für Frankreich zu lesen und in anderen Kontexten als Bildzeichen der Heimat im jüdischen Shetl. In der jüdischen und in der christlichen Religion – zwei Glaubensrichtungen mit denen Marc Chagall sich in seinem Werk stark auseinandersetzte, hat der Hahn eine besondere Bedeutung inne. Im Judentum kann er eine symbolische Stellvertreterrolle des Menschen einnehmen, da das hebräische Wort für „Hahn“ und „Mensch“ identisch ist. Im christlichen Glauben gilt er einerseits als Künder des Tages, dessen Ruf den Wechsel zwischen Tag und Nacht markiert und andererseits als Auferstehungssymbol.

Chagall hingegen lehnt eine Interpretation seiner Bildzeichen als Symbole strikt ab: „Wenn man in einem Bild ein Symbol entdeckt, so habe ich das nicht gewollt. Es ist ein Ergebnis, das ich nicht gesucht habe. Es ist etwas, was sich hinterher findet und was man nach seinem Geschmack deuten kann.“[2]

 


[1] Zitiert nach Sidney Alexander: Marc Chagall, München 1984, S. 376.

[2] Zitiert nach:  Ingo F. Walther, Rainer Metzger: Marc Chagall 1887–1985. Malerei als Poesie. Köln 1987, Seite 78.

Sie sind hier: Kultur-Lindau / Museum Lindau / Museumsblog Lindau / Detail / Das Motiv des Hahns in Marc Chagalls Werk
© 2024 Kultur Lindau