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Museumsblog Lindau

Stadtgestalten 03

 

Ortrud Davidson

 

*1910-1984

Die Familie Davidson stammte aus Hildesheim. Dr.med. Otto Davidson *1870-1949 war Armeearzt im Ersten Weltkrieg gewesen und ließ sich 1920 mit seiner Familie in Lindau-Reutin, Ecke Kemptener Straße 110 / Riggersweiler Weg nieder. Ottos Eltern waren Juden, er war getauft worden und fühlte sich im evangelisch-christlichen Glauben beheimatet. Freundschaftlich verbunden war die Familie mit der Familie Buhl vom Autohaus Buhl. Ortrud und ihr Bruder Erhard *1913-1996 freundeten sich mit den beiden Buhl Söhnen an, wenngleich diese jünger waren. Als Arzt war Otto Davidson stets zur Stelle, wenn es darum ging, in Not geratene Arbeiter-Familien mit Lebensnotwendigem zu unterstützen.

Mit der Machtübernahme Hitlers 1933 begannen für die nicht arische Familie Repressalien durch die SA-Leute der NSDAP. Ortrud hatte zu diesem Zeitpunkt bereits das Lindauer Lyzeum erfolgreich abgeschlossen, konnte aber der Gesetze wegen nicht studieren und wurde aus dem Evangelischen Kirchenchor und dem Alpenverein hinausgedrängt, obwohl die Familie bereits am 2. April 1933 im Lindauer Tagblatt öffentlich bekannt gegeben hatte, Christen zu sein und mit dem Judentum und der Judenschaft in keiner Beziehung zu stehen. Ortrud tauchte bis zum Tod der Mutter 1942 in Berlin unter.

Die Familie musste die Hilfe der befreundeten Buhls öfters annehmen, diese ihrerseits wurden observiert und mussten sich immer wieder beim NS-Kreisleiter verantworten. Der Witwer Otto Buhl hätte gerne Ortrud zur Frau genommen, was jedoch aufgrund der Nürnberger Rassengesetze vereitelt wurde. Beschwerden des Arztes Davidson bei der NSDAP Kreisleitung wurden auf verächtliche, diskriminierende Art und Weise pariert. Er praktizierte dennoch bis 1938 weiter.

Im Februar 1945 sollte die Stadtpolizei Dr. Otto Davidson verhaften und innert drei Tagen nach München verbringen. Die Lindauer Stadtpolizisten weigerten sich, diesen Befehl zu exekutieren und baten Otto Buhl, Davidson diese Nachricht zu überbringen. Ausgestattet mit Lebensmitteln brachte ihn dieser dann zum Lindauer Hauptbahnhof. In München angekommen wurde ihm alles abgenommen und er ins KZ-Ghetto Theresienstadt überführt, zum Weitertransport nach Auschwitz. Nach Kriegsende kam dann über Sohn Erhard die erfreuliche Mitteilung, dass der Vater lebe. Otto Buhl hatte schon eine Abholung mit dem eigenen Auto organisiert, als das Rote Kreuz den von Krankheit und den Strapazen Gezeichneten zurück nach Lindau brachte.  


QUELLE: SCHWEIZER Karl: Von der „jüdischen“ Familie Davidson in Lindau-Reutin, November 2017, www.edition-inseltor-lindau.de

 

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