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Im Gespräch mit Antje Modersohn

 

Die Enkelin des Künstlers Otto Modersohn freut sich auf die Sonderausstellung im Kunstmuseum Lindau

 

  • Bild: Elisabeth Solte, Bremen

Bild: Elisabeth Solte, Bremen

Fischerhude/Lindau - Als Künstler wegweisend und als Paar inspirierend, das waren und sind die Malerin Paula Modersohn-Becker (1876-1907) und der Maler Otto Modersohn (1865-1943).

Das Kunstmuseum Lindau widmet den beiden seine diesjährige Sonderausstellung
„Paula & Otto – Kunst und Liebe im Aufbruch“. Kulturamtsleiter Alexander Warmbrunn und Kuratorin Sylvia Wölfle hatten bereits zu Beginn der Planungen Kontakt zur Familie Modersohn aufgenommen und von dieser wertvolle Unterstützung erhalten.

Antje Modersohn, die Enkelin von Otto Modersohn und Tochter des Malers Christian Modersohn, spricht in unserem Interview über Paula und Otto, über die außergewöhnliche Beziehung zwischen den beiden und über Bilder, die zur Stille führen können.

Frau Modersohn, Paula und Otto kommen an den Bodensee. Das Kunstmuseum Lindau zeigt die Ausstellung „Paula & Otto – Kunst und Liebe im Aufbruch“. In Süddeutschland ist es das erste Mal, dass Paula und Otto in dieser Art gemeinsam präsentiert werden. Was ist das Besondere an dem Künstlerpaar?

Besonders ist, dass die beiden sich von Anfang an auf Augenhöhe begegnet sind. Paula Becker war elf Jahre jünger als Otto Modersohn. Die besondere Begabung seiner späteren Frau hat er als erster erkannt, gefördert, kritisch begleitet und nicht zuletzt auch finanziell ihr Künstlertum erst ermöglicht. In der damaligen Zeit war das eine große Besonderheit. Nur ihm waren Paula Modersohn-Beckers künstlerische Vorstellungen bekannt, die ihrer Zeit so weit voraus waren. Der Gegensatz ihrer künstlerischen Anschauungen war für beide anregend und bereichernd. Jeder suchte seinen eigenen Weg. Aus Tagebuchaufzeichnungen und Briefen wissen wir, dass Otto Modersohn von Paulas neuen Ansätzen voll und ganz begeistert war. Schon 1902 sagt Otto über Paula, sie sei eine Künstlerin, wie es wenige gibt, in der Welt.

Um diesen Ansatz geht es auch in der Lindauer Ausstellung, deren Titel nicht umsonst „Kunst und Liebe im Aufbruch“ heißt. Außerdem zeigt die Ausstellung auch auf spannende Weise, wie Otto und Paula vor ein und demselben Motiv zu ähnlichen oder sehr individuellen Bildlösungen fanden.

Ja, das ist das Besondere an der Lindauer Ausstellung, die sich konzeptionell an die vor  zwei Jahren im Paula Modersohn-Becker Museum in Bremen gezeigte Ausstellung anschließt, aber in der Bildauswahl sehr differiert, auch weil einige wichtige Werke von ihm aus der Zeit nach 1907 zu sehen sind. Diese Ausstellung zeigt - trotz der manchmal gleichen Motive – in der Gegenüberstellung und im Nebeneinander zwei unverwechselbare malerische Ansätze und Persönlichkeiten. Wobei das gemeinsame Malen vor dem Motiv sicherlich eine Ausnahme darstellte, da beide voneinander getrennt in der Woche in ihren Ateliers malten. Am Sonntag besuchten sie sich gegenseitig und tauschten sich über ihre Wochenarbeit aus.

 

Paula Modersohn- Becker wurde nur 31 Jahre alt. Dennoch hinterlässt sie ein großes Werk. Zwei Jahre nach ihrem Tod im Jahr 1907 heiratet Otto Modersohn noch einmal – ihre Großmutter Louise Breling. Gemeinsam verbrachten ihre Großeltern auch einige Jahre im Allgäu, wo Otto Modersohn auf Drängen seiner Frau - die in Süddeutschland aufgewachsen war - 1930 ein altes Bauernhaus erworben hatte. Ihre Eltern verkauften dann 1957 ihr Haus bei Bad Hindelang und zogen zurück nach Fischerhude bei Bremen, nahe der ehemaligen Künstlerkolonie Worpswede.

Ja, der Süden Deutschlands und der Norden, das sind in unserer Familie immer die beiden gegensätzlichen Pole gewesen, die sowohl die Malerei meines Vaters als auch die Malerei von Otto Modersohn beeinflusst haben. Mein Großvater hat die Bergwelt sehr geschätzt. Das Allgäu brachte ihm neue Anregungen. Die am Gailenberg bei Hindelang empfangenen Eindrücke beflügelten seine Schaffenskraft. Es entstanden Bilder, die nicht allein von den Motiven her einen deutlichen Neuansatz in seinem Spätwerk markieren. „Die Landschaft im Gebirge ist dramatischer, packender“, heißt es in einer Tagebucheintragung vom Mai 1934: „im Gebirge: Form durch Aufsicht, Verschiebung, ferne Berge, reicher, mannigfaltiger, stärker – ebenso die Farbe...“ Schön, dass in Lindau auch einige Beispiele aus der Zeit nach 1907 von ihm zu sehen sind.

Sie tragen einen berühmten Namen und sind in einer Künstlerfamilie groß geworden, ist das Segen oder Bürde?

Ich empfinde es vor allem als große Freude. So fühlte ich mich schon als Jugendliche von der Kunst Otto Modersohns nicht nur angezogen, sondern ihr gegenüber auch verpflichtet und kümmerte mich an der Seite meiner Eltern und später gemeinsam mit meinem Mann und vielfältig von der Familie unterstützt, um die Aufarbeitung des Nachlasses. Selbst künstlerisch tätig sein, wie mein Vater und der älteste meiner drei Brüder, war mir nicht gegeben. Meine Großmutter hatte einmal gesagt, wir seien alle Glieder einer Kette, jedes auf seine eigene Art. Zur Familie gehörten auch die beiden Halbschwestern meines Vaters, die Tochter aus der ersten Ehe, Elsbeth, war meine Patentante und ist als Modell von ihm sowie von Paula auch in der Lindauer Ausstellung zu sehen und Mathilde - Tille genannt - die Tochter von Paula und Otto Modersohn. Beide, hatten keine künstlerischen Neigungen, waren in sozialen Berufen tätig, blieben unverheiratet und kinderlos. Im Alter  lebten sie zusammen in Bremen, im Schwarzwald und ganz in unserer Nähe in Fischerhude.

Was ihre Großmutter über die Familie sagt, das trifft doch auch auf die Beziehung des Malerpaares zu. Sie waren wie einzelne, wertvolle Glieder einer Kette, jeder für sich und doch untrennbar miteinander verbunden. Ein großer Bewunderer ihres Großvaters und langjähriger Freund ihres Vaters war auch der Altbundeskanzler Schmidt.

Ja, Helmut Schmidt hat uns oft besucht. Als 18jähriger war er 1936 zum ersten Mal nach Fischerhude gekommen. Neben den Künstler-Familien Breling, Bontjes van Beek und Modersohn lernte er hier auch Clara Rilke-Westhoff kennen. Die Freundschaft mit meinem Vater Christian und unserer Familie hat sich erst in den Nachkriegsjahren entwickelt; sogar als Bundeskanzler kam Helmut Schmidt immer wieder zu uns. Er verweilte gern lange vor seinen Lieblingsbildern im Museum, bevor es dann in eine gemütliche Kaffeestunde überging.

Otto Modersohn selbst hat einmal gesagt, „Bilder, die zur Stille führen sind mir die liebsten“. Ich glaube, dass ist die besondere Qualität der Bilder, dass sie zur Stille führen können. Und das ist doch in unserer heutigen Zeit ganz besonders wichtig – dass wir einen inneren Haltepunkt wiederfinden. Darum wünsche ich der Lindauer Ausstellung, dass die Besucher sich vor den Bildern Zeit nehmen, denn das Meditative der Werke lässt sich nicht im Vorrübergehen erfahren. Und dann würde ich mich freuen, wenn der eine oder die andere Lust auf mehr bekäme und sich nach Fischerhude aufmachen würde, um das Otto-Modersohn-Museum zu besuchen.

 

 

 

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