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K wie Kelterstiefel und Kelterbeil

 

aus unserem SammlungsA-Z

 

Ein altes Paar zerschlissene Stiefel (V Ha 64) und eine breite Handaxt (ME 63). Zunächst scheinen die beiden erstmal nicht viel miteinander zu tun zu haben.

Die Stiefel haben vielleicht mal einem Soldaten oder einem Feuerwehrmann gehört. Stabil genug wären sie, mit mehreren Lagen Leder und mit Holznägeln befestigten Absätzen. Und das Beil lag vielleicht bei einem Bauern daheim zum Holzhacken.

Aber sobald man einmal in die Stiefel hineinschaut, merkt man schnell, dass sie zum Laufen nicht gemacht sein können. Viel zu breit, viel zu lang sind sie; und die Sohlen sind viel zu grob und hart.
Und tatsächlich wurden dieses Stiefel für einen ganz anderen Zweck gemacht: zum Stampfen. Von Weintrauben, um genau zu sein. Schon seit Karl dem Großen, der das Stampfen der Trauben mit nackten Füßen aus Hygienegründen verboten hatte, waren Kelterstiefel ein übliches Werkzeug im Kelterhandwerk.

Man war beim Auspressen der Weintrauben aber schon spätestens seit dem Mittelalter nicht nur auf eigene Körperkraft angewiesen. Nachdem die Trauben mit den Füßen im Kelterbottich einigermaßen festgetreten waren, wurden sie mit einem Baumtorkel (Baumkelter) vollends ausgedrückt. Wie der Name schon sagt bestand der Baumtorkel aus einem großen, tonnenschweren Holzbalken, der meist aus einem Baum hergestellt und auf einem Gerüst montiert war. Auf einer Seite ließ sich der Baum durch eine Holzspindel so absenken, dass er eine Druckplatte auf dem Kelterbottich beschwerte, welche die Weintrauben dann auf den letzten Tropfen ausdrückte.

Und was ist mit dem Beil? Wenn man genau auf das Axtblatt schaut, dann sieht man neben sechs Sternblüten und einem Rad auch eine Weintraube darauf eingraviert; ein Hinweis darauf, dass es sich auch hierbei um ein Kelterwerkzeug handelt. Und tatsächlich: nachdem der Torkelbaum 24 Stunden auf die Weintrauben gedrückt hatte und der gesamte Saft in einen separaten Behälter abgeflossen waren, blieben im Kelterbottich nur noch hartgepresste Traubenreste (Trester) übrig. Um die wieder aus dem Bottich zu entfernen, hieb man mit dem Kelterbeil Stücke heraus, die man dann per Hand entfernen konnte.

Man kann noch heute einen frühneuzeitlichen Baumtorkel in Lindau besichtigen. Der Förderverein für die Instandsetzung und Nutzung des Weintorggels am Hoyerberg e.V. kümmert sich um die Erhaltung eines Torkels, dessen Torkelbaum aus dem Jahr 1578 stammt.

Im Museum und in unserem Depot haben wir leider keinen Platz für ein so mächtiges Gerät. Aber dafür haben wir immerhin die Kelterstiefel und das Kelterbeil. Aber damit kann man ja auch schon recht viel erzählen.

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