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O wie "Oh Gott!"

 

Aus unserem SammlungsA-Z

 

Anton Pöschl starrt ungläubig auf das Loch in der Holzbrücke über ihm. Durch dieses Loch ist er eben gefallen – 34 Schuh (10 Meter) tief. Er steht langsam auf und tastet sich ab. Alles noch dran, nichts gebrochen, nur ein paar Prellungen und Schnitte. „Oh Gott“, denkt er sich. „Ein Wunder, dass ich das überlebt habe.“

So oder so ähnlich könnte der Vorfall abgelaufen sein, der sich am 28. August 1816 um 6 Uhr früh ereignete. Dass er stattfand wissen wir durch ein Votivbild (Inv.-Nr.: VM. 3) in unserer Sammlung. Anton Pöschl war offenbar ein gläubiger Mensch, denn wie die Bildunterschrift sagt, ist der „durch Hilf Maria beim Leben geblieben.“

Votivgaben gibt es in vielen Kulturen und Religionen, doch im katholischen Christentum waren sie vor allem im 18. und frühen 19. Jahrhundert verbreitet. Gläubige fertigten sie oder ließen sie anfertigen, um sich bei der Mutter Gottes oder einem Heiligen für die wundersame Rettung aus einer Notsituation zu bedanken, oder um darum zu bitten.

Eine Bitte um wundersame Heilung finden wir in einem anderen Votivbild (Inv.-Nr. VM. 4). In der Bildmitte ist die Mutter Gottes zu sehen, links von ihr kniet die heilige Lucia, die Patronin der Blinden. Auf einem Tablett trägt sie ein Paar Augen. Rechts der Mutter Gottes kniet die Bittstellerin und deutet auf ihr Gesicht. Offenbar fleht sie um die Heilung eines Augenleidens.

Die lateinische Inschrift unten rechts „EX VOTO“ kennzeichnet zahlreiche Votivbilder und bedeutet wörtlich übersetzt „aufgrund eines Gelübdes“. Bei Anrufung der Mutter Gottes oder eines Heiligen gelobten die Gläubigen also, eine Votivgabe als Dank zu stiften.

Votivgaben kommen aus allen Schichten der Gesellschaft, arm oder reich. Sie bieten einen seltenen Einblick in das Leben und Denken ihrer Stifter: ihre Ängste, ihren Glauben und in ihre Abenteuer. Anton Pöschl wird sein Abenteuer sicherlich noch oft am Stammtisch zum Besten gegeben haben.

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