WIE AURELIA “MIT ORILLEM SCHRITT” VON DER “VESTE” FUSSACH ZUR RÖMERSCHANZE IN LINDAU KAM

Mit einem einzigen Schritt hat sich die heilige Aurelia der Legende nach aus dem heute vorarlbergischen Fussach über den Bodensee auf die Römerschanze in Lindau gerettet, um sich drohender Marter durch heidnische Verfolger zu entziehen. Womöglich waren es am Ende doch zwei Schritte, denn die Heilige soll auf einem Felsblock im See, dem „Hexenstein“, einen Fußabdruck hinterlassen haben, der Jahrhunderte später noch dort zu sehen war.

Wer war die Heilige Aurelia nun wirklich? Verbreitet ist ihre Identifikation mit Aurelia von Straßburg, die zum Tross der legendären 11.000 Jungfrauen um die Heilige Ursula gehört haben soll. Als diese auf einer Pilgerreise von den Hunnen getötet werden, ist Aurelia nicht dabei. Sie ist krank in Straßburg zurückgeblieben, stirbt aber  dennoch wie die anderen den Märtytertod.

Aurelia-Kapellen waren als frühe christliche Versammlungsorte verbreitet; auch in Brigantium (Bregenz) gab es eine solche, die im 5. Jahrhundert zerstört, um 611 dann von den irischen Missionaren Gallus und Kolumban neu errichtet und mit angeblichen Aurelia-Reliquien ausgestattet wurde. Das Bregenzer Aurelien-Heiligtum dürfte Vorbild für die Kapelle gewesen sein, die um 800 auf der Römerschanze, früher „Auf Burg“ genannt, zu Ehren der Heiligen erbaut wurde.

Später befand sich an Stelle der Lindauer Aurelia-Kapelle eine dem Pilgerapostel Jakobus geweihte Kirche, bei deren Abbruch 1811 ein romanisches Kapitell mit einem Frauenkopf gesichert werden konnte, der als Abbild der Heiligen Aurelia gedeutet wird. Es befindet sich heute in der Sammlung des Museums Lindau.

Die sagenhafte Seeüberquerung Aurelias lieferte übrigens den Stoff für eine Redewendung: So hieß es in Lindau früher angeblich, wenn eine große Schritte machte, die habe „Orillen Schritt". Ob sie ihrem gewaltigen Sprung über den See den Fuß nun ein- oder zweimal aufgesetzt hat, spielte für Aurelias weitere Verehrung in Lindau keine Rolle.

Aurelia ist eine von 80 StadtGestalten, die wir im Rahmen eines Kunstprojekts im neuen Jahr an der Cavazzenfassade präsentieren werden. Seid gespannt alte Bekannte und neue Geschichten.