Aufmerksamen Besucher*innen ist bereits aufgefallen, dass im Katalog ein Werk abgebildet ist, was in der Ausstellung noch nicht zu sehen war. Endlich ist auch Paulas „Elsbeth im Garten mit Glaskugel“ in Lindau eingetroffen. Zuvor hing es im Wiener Leopold Museum in der Ausstellung „Deutscher Expressionismus. Die Sammlung Braglia und Johenning“ und konnte nun nach Deutschland transportiert werden.

Das Werk bietet Besucher*innen einen weiteren, aufschlussreichen Bildvergleich zwischen Paula Modersohn-Beckers und Otto Modersohns Interpretation des gleichen Motivs. Ottos Tochter aus erster Ehe ist ein beliebtes Modell des Künstlerpaares. In ihrer Verlobungsphase und zu Beginn der Ehejahre finden sich zahlreiche Werke beider, die Elsbeth aufgreifen. Ein Sujet, welches sowohl Paula als auch Otto beschäftigt, ist Elsbeth mit der Glaskugel im Garten der Familie Modersohn-Becker.

Wenn Paula und Otto das gleiche Motiv wählen, fällt immer wieder auf, dass Paula die Menschen in den Vordergrund setzt und die Komposition auf wenige, reduziert dargestellte Komponenten beschränkt. Im Vordergrund steht Elsbeth, die frontal von Kopf bis Fuß zu sehen ist. Die Farbe ist flächig aufgetragen und lässt den Malgrund, besonders im Kleid, durchscheinen. Das Gesicht ist verfremdet dargestellt, lediglich zwei blaue, angedeutete Augen blicken den Betrachter an, darunter ein roter, verwischter Mund.

Im Hintergrund ist ein Teil des braunen und grünen Gartens zu sehen, der durch eine dunkelgrüne Hecke, mit wildem Pinselstrich gesetzt, vom hellblauen Himmel getrennt ist. Die linke Bildhälfte wird von einer großen Glaskugel dominiert, die mit einem quadratischen Pfosten in einem rund angelegten Beet aufgestellt ist. Bei der Ausarbeitung des Beets verzichtet Paula auf Perspektive. Durch die Spiegelung in der Glaskugel, welche von der oberen Bildkante angeschnitten wird, holt Paula das Haus der Modersohns geschickt in das Bild und vervollständigt so die heimische Idylle.

Ein Jahr nach Paula Modersohn-Beckers „Elsbeth im Garten mit Glaskugel“ widmet sich auch Otto Modersohn diesem Motiv. Ebenso wie zuvor Paula, zeigt auch er Elsbeth und die dekorative, große Glaskugel im Garten des Paares. Allerdings fällt auf, dass Otto Elsbeth hinter die Glaskugel, in den Mittelgrund, setzt. Seine Tochter aus erster Ehe ist nicht, wie zuvor bei Paula, aktiv im Vordergrund des Bildes. Sie steht inmitten des Gartens und blickt nach links in die Ferne. Elsbeth blickt auch nicht direkt den Betrachter an, sondern wendet ihm ihr Profil zu. Der Raum ist durch eine dunkelgrüne Hecke und einen Zaun links im Bild in sich geschlossen.

Weite wird, wie bei Paula, durch die Spiegelung des Hauses in der Glaskugel gezeigt. Otto verstärkt das idyllische, friedliche Paradiesgarten-Gefühl, indem er das Geschehen in den Sonnenuntergang setzt. Dadurch leuchten Elsbeths weißes Kleid und die Blumen im Vordergrund umso strahlender und intensiver. Im Hintergrund sieht man den Himmel in pastelligen Orangetönen, während das erleuchtete Haus in der Glaskugel bereits im dunklen Blau der anbrechenden Nacht liegt. Wie eine schützende Hand scheint sich das Geäst eines Baumes über Elsbeth zu legen. Gepaart mit den zahlreichen roten, weißen und gelben Blumen erzeugt Otto eine friedliche, harmonische Stimmung.