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A. 1 – Himmelsglobus von Erhard Weigel, 1690 (um)

 

Typisch Heimatmuseum! Die städtischen Sammlungen kunst- und kulturgeschichtlicher Objekte umfassen Objekte aus den verschiedensten Sach- und Themenbereichen – von der antiken Kleinbronze über das bestickte Messgewand bis hin zum Steinschlossgewehr, Ölgemälde und mechanischen Musikinstrument. Wir stellen hier einige der schönsten, interessantesten, kuriosesten vor.

Den Anfang macht – wie könnte es anders sein? – das Objekt mit der Inventarnummer
A. 1 – Himmelsglobus von Erhard Weigel, 1690 (um)

Fraglos gehört A. 1 zu den schönsten und faszinierendsten Objekten in der Sammlung des Stadtmuseums Lindau: ein magisch anmutendes Gebilde aus einer von drehbaren Metallringen umgebenen Kugel, deren matt golden schimmernde Oberfläche von erhabenen Punkten, Symbolen, Linien und Inschriften belebt wird. Kaum einer wird sich der Wirkung des im 17. Jahrhundert vermutlich von Nürnberger Kupferschmieden kunstvoll gefertigten Himmelsglobus entziehen können.

Himmelsgloben sind Darstellungen des Sternenhimmels, die dem Erlernen und der Vermittlung astronomischer Zusammenhänge dienten. Das Lindauer Exemplar ist aus zwei Halbkugeln zusammengesetzt, die aus hauchdünnem Kupferblech getrieben wurden. Die Sternbildfiguren erscheinen auf der Außenseite als Reliefzeichnungen – namentlich bezeichnet, aber wie üblich in spiegelbildlicher Wiedergabe: Die Sterne und Sternbilder sind auf eine gedachte Himmelskugel mit der Erde im Mittelpunkt projiziert, so dass der Betrachter sich gedanklich in deren Inneres hineinversetzen muss, um den Sternenhimmel „richtig“ zu sehen.

Diesen Perspektivwechsel erleichtert uns A. 1 mit einem wirkungsvollen Kniff: Kreisrunde Öffnungen ermöglichen den Blick ins Innere der Kugel, die an der Position der hellsten Sterne durchstochen ist, so dass diese in der dunklen Wölbung als kleine Lichtpunkte erscheinen.

Bemerkenswert ist A. 1 noch in einer anderen Hinsicht: Neben den vertrauten Tierkreiszeichen und Sternbildern wie etwa dem Großen Wagen finden sich auch andere Zeichen und Namen auf dem Globus, die unserer Sternhimmel-App fürs Smartphone unbekannt sein dürften: Hispania, Baden, Brandenburg, Saxon. A. 1 gehört zu einer Gruppe sog. heraldischer Globen, die auf den Astronomen, Mathematikprofessor und Pädagogen Erhard Weigel (1625–1699) zurückgehen: Weigel hatte die Idee, die traditionellen Sternbilder nach europäischen Fürstenhäusern umzubenennen und durch deren Wappen zu ersetzen.



Nach Lindau gelangte A. 1 vermutlich im Gepäck des evangelischen Predigers Johannes Gaupp (1667–1738): Gaupp hatte in Jena nicht nur Theologie, sondern auch Mathematik und – als Schüler Erhard Weigels – Astronomie studiert. Ein Porträt in der Sammlung des Stadtmuseums spielt auf dieses besondere Interesse Gaupps an, dem er auch als Pfarrer von St. Stephan bis zu seinem Tod weiterhin nachging, und zeigt ihn mit einem Himmelsglobus. Entsprechend war auch der Weigel’sche Globus in den ersten Dauerausstellungen des Stadtmuseums Teil eines „Gaupp-Stübchens“, in dem diverse astronomische Instrumente zu sehen waren.



Zuletzt fristete A. 1 viele Jahre ein Schattendasein in den Dunkelkammern des Cavazzen. Jetzt ist das Objekt von der Goldschmiedin Ulrike Ecker in vielen Stunden ehrenamtlicher Arbeit behutsam gereinigt worden und wartet auf seinen Auftritt in der neuen Dauerausstellung.

Quelle: Jürgen Hamel: Die heraldischen Himmelsgloben von Erhard Weigel. Ein Bestandsverzeichnis, in: Andreas Christoph (Hrsg): Der Globusfreund, Wien, 2016, S. 93-138.

 

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